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Lasst uns froho uhund munter sein… (ceci n’est pas un Weihnachten)

Weit ausgeholt:

Wie meistens, ist auch diese Arbeit tief verwurzelt in der Geschichte,

sowohl in der allgemeinen, wie auch im früheren Eure des Künstlers.

 

ceci n'est pas un magritte, Pfeife René Magritte, Urheber
ceci n’est pas un magritte

Beginnend bei René Magritte kommen wir, teilweise zitierend, über Dürer und Caravaggio zu Gerhard Richter und einem Pressefotographen.

 

In Kürze: Magritte malte einst das Bild der Pfeife

und schrieb darunter: „Ceci n’est pas une pipe“.

 

Er hinterfragte damit nicht nur die Realität, Wahrnehmung, und Abbildungsfähigkeit, sondern brachte auch die Schrift als autonomes Bildelement ins Spiel.

Dieses berühmte Bild wird heute, wie eigentlich Alles aus der „Moderne“,

zuerst mit seinem Urheber verknüpft, vor seiner ikonographischen Bedeutung.

Es ist eben ein Magritte, und nicht in erster Linie die Pfeife.

„Man“ hat eben einen „Picasso“ an der Wand – und nicht „Stier“, oder „Akt“!

Um auf diesen Wandel anzuspielen, malte Schalenberg 2007 eben jene Pfeife

und schrieb darunter: „Ceci n’est pas un Magritte, ceci“.

Daraus ergab sich eine ganze Reihe, wie „Magritte ist kein Apfel“,

oder „Die Axt ist kein Magritte“ …

Das Spiel mit dem verneinenden Bildtitel und den verschlungenen Urheberbeziehungen entwickelte sich dann auch hin zu Zitaten anderer Künstlerkollegen, bis hin zum illustren Gestalten des Namenszug „Schalenberg“.

 

Dann begegnete Schalenberg in der „Kunstzeitung“ einem Pressefoto, bei dem im Museum in Dresden, ein Bild von Gerhard Richter,

oder treffender ein „Gerhard Richter“, feierlich seiner Verpackung entledigt wird.

 

Diese inspirierende Situation war so komplex, daß sofort Gestaltungsnotizen dazu gemacht wurden.

 

„ceci n’est pas un Weihnachten“, spontane Ölskizze vom September 2010 auf Hartfasertäelchen 30 x 24 cm.

 

An Weihnachten 2010 wurde dann das Bild begonnen:

 

 

 

ceci n’est pas un Weihnachten – lasst uns froho uhund munter sein

Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm, 2011

"ceci n'est pas un Weihnachten" (Lasst uns froho uhunt munter sein)Magritte Gerhard Richter Dresden Museum
„ceci n’est pas un Weihnachten“ (Lasst uns froho uhunt munter sein)

 

Junge Frau mit Baby.

Alle sind froh!

Esel und Schnee und durchtrennte Schnur.

Geschenke werden ausgepackt!

Die Hirten kommen staunennd herzu,

und über allem schwebt der Geist des Besonderen.

Die frechesten Engel von Carravaggio stellte sich Schalenberg über die Schulter,

um ihnen beim Malen ab und zu in die Augen zu schauen.

Ein zufällig roter Fleck entwickelte sich noch zum Feuerlöscher. Noch für einen zweiten fand sich Platz. Dieses Protektionsgerät unterstreicht wachsam die Heiligkeit, des zu Behütenden.

 

 

Die klassisch-richterliche Unschärfe, im Zentrum des Geschehens,

macht die geheimnisvolle Quelle dieser sakralen Aura noch deutlicher.

Wir sind aber nicht bei Stefan Lochner, oder Martin Schongauer,

sondern in der Zeitgeschichte. Also Achtung: Keine Pfeife!

Gar kein Weihnachten! Sprachenvielfalt!

Die Schrift liegt, wie Aussen auf dem Geschenkpapier.

Bei diesem ersten Leinwandbild im Leinwandbild wurde hier im frischen Zustand noch eine Verwischung vorgenommen.

Lange, mit dem Vertreiber in der Hand wartend, wurde damit gezögert, denn die Malerei hatte im Duktus schon sehr, sehr starke Eigenheiten und das Baby sah dem Richter tatsächlich verblüffend ähnlich.

Aber in dieser Version sollte dies so sein.

Auch das mußte eben bis Februar 2011 mal ausprobiert sein.

 

Auf diese Verschlichtung wurde später in der großen Variante bewußt verzichtet.

Dort bleibt der Duktus des Bild im Bild schalenberg’sch!

Nur im Hintergrund erlaubt er im Sommer 2011 etwas Unschärfe, die auch die Trennung von Bild im Bild erleichtert.

Es geht eben auch gar nicht darum hier irgendwen möglichst originalgetreu zu kopieren.

Das Zitat wird auch so klar

und behält doch alle Eigenheiten des Malenden.

 

(Ebenso beläßt Schalenberg seine eigene Schärfe bei anderen Richter-Großtaten-Zitaten)

 

„Ich bin ich“, denkt Schalenberg,

und hat die verwischende Tilgung der Malerei,

ein Zurücknehmen des Selbst, eine Negation, ganz ähnlich, der von Magritte,

im Grunde gar nicht nötig.

Hier muß nichts auf den Kopf gestellt werden

und in der Betitelung meint Schalenberg eben auch,

was er sagt.

 

 

Bald war Schalenberg klar: Dieses Bild verdient auch noch eine große Variante!

In dem Thema steckt noch Potential!

 


Lasst uns froho uhund munter sein… (ceci n’est pas un Weihnachten) gross

 

"Lasst uns froho uhunt munter sein" (ceci n'est pas un Weihnachten), Gerhard Richter Tante Marianne, Dresden Museum, Dürer Paumgartner Altar, Engel Caravaggio
„Lasst uns froho uhunt munter sein“ (ceci n’est pas un Weihnachten)

 

 

Öl auf Leinwand, 200 x 180 cm, 2011

 

(frei nach Gerhard Richter: Tante Marianne)

Collection Nr. 110210LMR22_bei 641

 

Hier wird die weihevolle Szene nun richtig zur Nacht.

Nach oben wird der Stall aufgerissen,

verfallend aufgerissen , wie es bei Albrecht Dürer‘s Paumgartner Altar angelegt ist und das freie Firmament wird sichtbar.

Unten aber rieselt leise der Schnee

und wir gelangen von ganz Dunkel zu ganz Hell.

 

Oder ist es doch nur alles Schaum?

Die Feuerlöscher im Vordergrund wurden zu vieren verdoppelt

und sind eben gerade keine Adventskerzen.

Wieder ein Kontrast von totaler Negation.

Diese Wächter stehen wie ein Zaun vor dem Bildraum

und bilden fast die Zähne des Ganzen.

 

Die ehedem weisse Werkstattlampe wird hier nun zu einer runden Neonröhre, deren Aufhängung ganz oben beim Schöpfer selber angelegt scheint,

und das Stroh-Palmzweigdach durchbricht und das gespeist wird von dessen goldener Erscheinung, inmitten im Loch im Firmament, weit weg, noch jenseits des Urknalls.

Man sieht’s,

daß die Himmelserscheinungen sich hoch über dem Stall

zum Auge vereinigen.

Noch drei weitere Lichter staffeln sich gekrümmt in die Tiefe

und machen den Herrn zur Denkblase des Einen.

 

Zum Esel gesellt sich nun auch Ochs.

Sie bilden in ihrem Goldrahmen nochmals ein Bild im Bild

und retten dem Museum das Museale.

Die überzogen naive Malweise dieser beiden Zuschauer ist noch einmal eine Mahnung Alles und Nichts ernst zu nehmen!

 

Im Tannenweihnachtsgrün steht weiß-golden die Schrift auf dem nun bildumfangenden Schmuckband.

 

Die Geschichte zu „Tante Marianne“ brachte Schalenberg erst der Hinweis von Carsten Siebert erneut ins Bewußtsein.

Hier soll daher nun sein Bericht zur Bildgeschichte eingefügt sein…

 

„   Sven Schalenberg hatte in der Kunstzeitung ein Photo gesehen, auf dem das Bild von Gerhard Richter mit dem Titel „Tante Marianne“ in der Staatlichen Kunstsammlung Dresden ausgepackt wurde, um aufgehängt zu werden. Dieses Bild zeigt den kleinen Gerhard Richter im Alter von vier Monaten und seine Tante Marianne im Alter von 14 Jahren.

Um das Jahr 2004 hat sich der Journalist Jürgen Schreiber um die Familiengeschichte der Richters gekümmert und herausgefunden, daß Tante Marianne mit der Diagnose Schizophrenie in eine psychiatrische Klinik, die in Nazi-Hand war, eingewiesen und schließlich nach einer Sterilisation ums Leben kam. Der Chefarzt dieser Klinik, Professor Heinrich Eufinger, der etwa 1000 Todesfälle zu verantworten hatte, war der Vater von Gerhard Richters erster Frau Ema. Richter hatte die Familie Eufinger, ohne diese Kenntnis bis zum Tode von Eufinger, in photorealistischer Malweise mehrfach auf Leinwand festgehalten.

Sven Schalenberg hat dieses Bild als Bild im Bild in eine Szenerie gut gelaunter Menschen integriert und untertitelt mit „Ceci n’est pas un Weihnachten“. Statt der vier Adventskerzen hat er vier Feuerlöscher gemalt und einen Himmel mit Engeln und durch das Fenster blicken Ochs und Esel. Das Bild zeigt deutlich, daß wir leicht einer Irreführung unterliegen, das vordergründig Schöne verdeckt das Abgründige dahinter. So können Bilder manipulieren und nur das Wissen um deren Historie schützt uns vor Irrtümern.   „

 

 

Nachdem Siebert dem Maler Schalenberg bei der ersten öffentlichen Präsentation im Herbst 2011 im Museum in Undenheim aus Gerhard Richters Familiengeschichte berichtete,

fiel ihm auf, daß er auch schon davon gehört hatte, vor einigen Zeiten in Presse und Radio, dieses aber schon wieder völlig vergessen und nicht mehr präsent gehabt zu haben, während der Arbeit an diesem Bild.

 

Ebenso wie Gerhard Richter den Zusammenhang zu seinem Schwiegervater nicht präsent hatte, als er die „Tante Marianne“ malte, war dem Maler Schalenberg diese Geschichte nicht mehr im direkten Bewußstsein.

 

Eventuell wären diese Bilder so auch gar nicht gemalt worden.

 

Nun macht dieser zusätzliche Bezug zur Zeitgeschichte das Bild und auch den Titel nur noch internsiver und verschärfter.

 

Alles passt!

 

 

 

 

Sven Schalenberg,

Wahlheimer Hof 28, 55278 Hahnheim, Tel: 06737-710 425

www.Schalenberg.de