Sven Schalenberg, Maler, 1996 Große Bleiche No 1, 55116 Mainz,
nun 2024 Wahlheimer Hof 28, 55278 Hahnheim
Geschichte zu dem Bild:
„Die Freiheit führt das Volk“, 1996, Öl auf Leinwand, 200 x 260 cm
Im Frühjahr 1995 entstand die Idee zu diesem großformatigen Historienbild,
evtl. auch: Die Medien-Freiheit (ver- ?) führt das Volk!
mit dem persiflierenden Bezug zu dem großen Historienbild von 1830 von Eugène Delacroix „Die Freiheit führt das Volk“ zur damaligen politischen Revolution,
blutig, aber doch siegreich über die Monarchie der Bourbonen.
(Schalenberg: Vielleicht kann man ein schlechtes Bild schön reden und auch einem guten Bild mit zu vielen Worten schaden. Beides möchte ich nicht. Ich habe mich aber nie gescheut, über meine Kunst zu reden, im Gegensatz zu vielen Kollegen, die das nicht wollen, vielleicht nicht können, oder das Numinose brauchen, um sehr Interessant zu scheinen. Die dann die Analyse ganz dem Betrachter überlassen, eventuell der Presse, den Kuratoren und Kunstgeschichtlern. Manche Kollegen meinen, wenn es das braucht, so taugt es nichts. Nein, notwendig brauchen wird es das nicht. Aber es geht nun nicht darum ein Gemälde besser zu machen, sondern eine spannende Geschichte festzuhalten. Falls das Bild dann dadurch berühmt werden sollte, so ist das auch gut.)
Die kulturelle Revolution heute, gesteuert durch die modernen Medien Film und Fernsehen galt es nun darzustellen. Inspiriert durch einen Ideen-Wettbewerb im Institut Francais Mainz, und dem darin befindlichen Kino Cine-Mayence, bekam das Bild auch den französischen Touch und das für diese Nation symbolhafte Gemälde von Eugene Delacroix gleichen Titels wurde zum Vorbild genommen.
Während Delacroix die politische Revolution als nachträgliches Historienbild wiedergibt, ist in Schalenbergs Version eine imaginierte Drehortszene zu einem filmischen Historienschinken dargestellt, welche nun allerdings selber, als Ganzes immer wieder zum Motiv wird und in sich selber mehrfach erscheint. Das Bild im Bild trägt unsere Heldin auch im Monitor am Schoß und auch auf der Rückseite ihrer Fahne. Auf den Kino-Leinwänden ist es eh und in dem Frontglas der Kameras auch und wahrscheinlich im Auge des knieenden Betrachters …
Im Zentrum steigt die Freiheitsgöttin Marianne (BBardot) idolhaft über die Barrikaden und wird mediengerecht mit kalkuliertem Sexappeal vermarktet. Die ganze Szenerie konzentriert sich formal auf diese schauspielende Heldin, ihre Faust, oder Lippen, oder Brüste.
In ihrem Schoß trägt sie einen Bildschirm, auf dem das gesamte Bild wieder erscheint. Diese Reproduktion wird an vielen Stellen wiederholt und der (Montand) mit dem Zylinder trägt schon einen, damals noch unbekannten, flachen Display.
Konsument und Opfer ist der, sich dieses digitale Bild reinziehende, „Niemand“, also Noone, No one, der vor diesem Bildschirm kniet. Nr.1 war auch die Adresse des Atelier am Mainzer GrandBlanc.
„No one“ heißt auch der Film, der gedreht wird
und selbstverständlich ist der Sender die „No 1“.
Überrannt werden hier nicht mehr die Soldaten der Monarchie,
sondern Vertreter der klassischen Künste: Eugene und die Malerei, als bildende Kunst stiller stehender Bilder, die Literatur, deren Bücher nur noch barrikadentauglich sind und die Welt des klassischen Theaters, der darstellenden Kunst mit einmaligem Live-Charakter, deren Bühne von der nicht aufzuhaltenden Welle erstürmt wird.
Letztendlich ist das gesamte Gemälde selbst ein Ausschnitt aus einem Zelluloid-Filmstreifen, dessen Versetzung am unteren Bildrand die Oberkante des nächst-folgenden Bildes anschneidet.
Die rote Tube tropft ihr Theaterblut über alle Zonen.
Am linken Bildrand zeigt sich eine zelluloid-zeitbedingte Transportperforation.
… Die Illusion des platten Filmstreifens wird aber mehrfach wieder gebrochen. So durch Räumlichkeit, Überschneidungen und Durchblicke. Viele spannende Details, die nicht alle verraten sein sollen, machen das Bild auf Dauer interessant.
Nach einer intensiven Phase der Recherche zu passenden Protagonisten, wie IvesMontand, GerardDepardieux, u. A., und Helfern aus direktem Umfeld, wie ArthurR, AbolT, TobiasGS, PetraG, SvenS, wurde die Ausführung im November ’95 begonnen und galt im Mai 1996 als abgeschlossen.
Wolfgang Wolff fertigte noch einen sehr soliden Rahmen, wie einen riesigen Flachbildschirm.
Während dieser Zeit wurde die Arbeit von dem Wiesbadener freien Journalisten Tobias Gebhard-Seele filmisch festgehalten und dramatisch zu einem furiosen Finale gesteigert.
Zur grandiosen Musik der Marseillaise wird die große Leinwand aus dem Treppenhaus gedreht, über die Ampel getragen und im Kino in den Rahmen geschraubt, wie ein Heldenepos. Toll!
Ein 45 min. Dokumentarfilm ist so von ihm erstellt worden.
Also gab es gleich einen Film über das stehende Bild zum imaginierten Deh-Theater.
Dieser Film wurde im August `96 in der Galerie ART ‚N‘ ACT, Mainz uraufgeführt,
anlässlich einer Ausstellung der Ahrweiler ARE-Künstlergilde,
in der sie 40 ausgeräumte und mit stiller, stehender Kunst neu gefüllte Fernsehgehäuse präsentierte.
Zu sehen war davor das Bild offiziell erstmals schon gleich im Pavillon des Residenzkinos in Mainz,
anlässlich einer Vorführung des berühmten Stummfilmes „Jeanne d´Arc“.
Die Staatliche rheinische Philharmonie spielte dazu live in einer Veranstaltung des Kultursommers Rheinland-Pfalz, welcher unter dem Motto stand „Kunst und Medien“.
Der Kinobetreiber ahnte, dass es kaum ein besseres Intro zu diesem Event geben konnte
und alle VIPs dachten geschmeichelt, dass es wohl extra dafür gemacht sei.
Vom Land gefördertes Honorar bekamen die Musiker.
Aber auch an dem ursprünglich vom Künstler angedachten Ort, im Treppenhaus des Institut Francais, konnte das Bild eine Zeit lang hängen und hat gezeigt, dass die Idee des Künstlers funktioniert.
Auf halbem Weg zurück ins Atelier, fragte der Maler dort um die Erlaubnis, es auch vor dem Cine Mayence zu präsentieren. Auch hier war der Leiter des Hauses durchaus offen für ein Experiment, besonders, da es nix kostet.
Der ursprüngliche Ideenwettbewerb war vor 1 ½ Jahren längst ganz woanders hin gegangen,
aber der Maler dachte: „Ich zeigs Euch!“
Vielleicht standen die Kinobesucher nun mal gerne im Flur.
So macht jeder Künstler bei vielen Wettbewerben mit und an Niederlagen muß man sich gewöhnen.
Klar! Oft meint man als Künstler, doch „das Beste“ gebracht zu haben und ist schwer enttäuscht von der Jury. Oft!
Aber viele gute Ideen werden dabei auch erst geweckt, die vielleicht nie entstanden wären,
und manches Werk wird dann trotzdem gemacht,
erst mal auf Kosten des Gestalters.
Dabei bleibt es meistens.
Dann ging das Bild mit den Schauspielern auf den Theaterbrettern tatsächlich genau auf diese.
Zu zweit wurde es dort hin getragen und bis zum Südbahnhof sogar mutig ein Linienbus benutzt.
Man versuchte einfach, ob es hinein ging. Und da niemand meckerte, hielt man halt mal die Luft an, um sich möglichst schlank zu stellen. Glück im Abenteuer.
(Vor kurzem wurde in Mainz eine Künstlerin mit einem, etwas kleinerem Bild sogar spektakulär aus dem Bus rausgeworfen. Die Presse berichtete, sogar der Rundfunk.)
Zur Eröffnungsveranstaltung der „Kunstbühne im Volkstheater“ in Mainz, wurde das Bild im Oktober `96 vom Künstler auf der Bühne vorgestellt und mit dem Publikum erbaulich über die Malerei diskutiert. Respektvoll wurde es verstanden, und dann wohl lange nicht mehr vergessen….
Auch davon existiert eine vhs-Videocasette.
Der ZDF-Cutter Arthur Müller hat dies später auch mal digitalisiert.
Vom Publikum dann als das „Beste aus der Kunstbühne“ ausgewählt, wurde Schalenberg im nächsten Jahr wieder eingeladen, um mit anderen Bildern wieder eine Ein-Abend-Ausstellung erfolgreich zu zeigen.
In Köln-Wesseling wurde es dann anlässlich des Kunstpreises der Stadt ausgestellt und in einem Katalog veröffentlicht. Mit den zweimaligen Transporter-Spesenkosten zog Schalenberg mit dem vielleicht besten Bild auch wieder ab. Der Preis ging woanders hin.
Weiter ging seine Geschichte in der Stadtbibliothek in Mainz, wo es, mit seinen gemalten Barrikaden von Büchern, in der Rheinallee für ein halbes Jahr ausgestellt wurde.
Die Presse berichtete und viele Bibliotheksbenutzer nahmen es wahr und sprechen den Künstler noch immer darauf an.
Der damalige Kulturdezernent Peter Krawietz sah wohl eine Relevanz für die Stadt und hat sich angeblich durchaus bemüht an Ankaufsmittel zu kommen.
Bei jeder späteren Begegnung versuchte er die reaktionäre Sponsorenträgheit zu entschuldigen.
Einige Jahre später starb der (natürlich ebenfalls honorarfrei) filmende Tobias Gebhard-Seele leider bei einem schweren Autounfall.
In diesem Gemälde bleibt er der blonde Kameramann neben dem Regisseur Chabroll, dort im Rolli mit dem heißen Reifen.
Danach hing das Bild eine ganze Weile in der Uni-Klinik in Mainz, in den Fluren von Prof. Mann, HNO.
Auch hier wurde es im Anschluß bald von Vielen vermißt, und noch immer wird dies angesprochen.
Als Postkarte erfuhr die Gestaltung selbst auch bereits einen kleinen Prozess der Reproduktion.
Für 18 Monate wurde es sogar zur Ansicht vermietet an eine Mediengesellschaft in Bad Homburg, die mit Filmrechten handelt. Dort wirkte es besonders gut in dem Altbau gleich hinter dem imposanten alten Schreibtisch des Chef. Gerne wollte er es auch kaufen, aber gab einfach nicht das OK. Nun ahne man auch warum, denn ihm fehlte wohl das Geld und er gab es dann eher brav zurück, bevor es noch in eine drohende Insolvenzmasse wandert … Vielleicht.
Zur Eröffnung eines neuen Medienzentrums, einer Druckerei und Agentur für digitale Bildtechnik wurde das Bild Anfang 2002 in Eltville und dann nach Umzug in neue Räume bald in Walluf im Rheingau mit großem Respekt gezeigt.
Zum Neubau des Kleinen Hauses des Mainzer Stadttheaters wurden reichlich „Kunst am Bau“-Mittel verteilt. Auch Schalenberg warf dieses Bild noch mal in die Diskussion, hoffend, es fände dann dort die dem Bild wirklich gebührende Stätte auf Dauer…
Die dann aber erwählten Werke kann man heute suchen.
So hat das Bild über die moderne Medienwelt, selbst schon in dieser Medienwelt,
Geschichte gemacht und eigentlich das ganze Spektrum der Kultur erlebt.
All dies war nicht geplant, hat sich dann eben so ergeben und überraschenderweise genau gepasst.
Mehr kann ein Gemälde seiner Entstehungs- Medien- Stadt und dem Volke eigentlich kaum bieten.
Ah, eines soll nun noch versucht sein: Was können die Algorithmen des Internet?
Seit langem schon zeige ich das Bild auf meinen homepages, offen für Alle. Honorarfrei.
Obwohl ich die Praxis der großen Internet-Konzerne nicht mag, mit der fehlenden Gegenleistung für die vielen Künstler, die alle ihre Werke ohne Honorar bereitstellen, probiere ich gleich noch mal instagramm und facebook …, vielleicht gibt es doch noch Lob von den Kollegen.
Pflegen will ich nun das Original, wie es ich kann …
Diese Geschichte ist aber auch ein Beispiel für die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft, die sich von diesen immer gerne umsonst bespaßen läßt, für engagierte Künstler, die eh alles mitmachen, unter dem ewigen Versprechen der notwendigen „Bekanntheit“.
Vielleicht überzeugt der Text ja noch mal strenge Beamte von Rentenkasse, Versorgungsamt und Versicherung. Ein repräsentativer Ort, wo das Bild für einige Zeit zu sehen ist, wird weiter gesucht.
Das Bild kann erworben werden. Repros in hoher Qualität sind machbar …
Mainz, Oktober 1996; weiter Mai 2002, und September 2024, Hahnheim.